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Episode

Gesa Hansen // Design und Kreativität

Selbstgespräche auf Papier

Überall in Gesa Hansens Wohnung liegen Notizbücher bereit, um ihre zahlreichen Ideen aufzunehmen. Die weltweit gefragte Möbel- und Interior-Designerin erklärt ihre Obsession für schöne Stifte und gutes Papier

Frau Hansen, was bringen Sie zu Papier?

Quasi alles. Ich arbeite nicht mit 3-D-Programmen, zeichne alle meine Entwürfe von Hand, insofern bin ich eine Designerin der alten Schule. Glücklicherweise habe ich Mitarbeiter, die genau wissen, was ich will, meine Skizzen digitalisieren und die Ideen in die Dreidimensionalität überführen.

Arbeiten Sie nie am Laptop?

Wenn möglich, vermeide ich es. Das Schreiben auf der Tastatur liegt mir nicht sonderlich.

Denken Sie in Worten oder in Bildern?

Definitiv in Bildern. Wenn ich eine Zahnbürste kaufen muss, zeichne ich sie mir eher auf, als dass ich das Wort ausschriebe. Bemerkenswert finde ich, dass wir Designer in der Familie – sowohl ich als auch mein Vater und mein Onkel – eine eher grafische Handschrift haben, mit vielen vertikalen und horizontalen Linien, wogegen zum Beispiel meine Großmutter in großen, runden Schwüngen geschrieben hat.

Wie sieht Ihre Handschrift aus?

Meine Handschrift spiegelt mit Sicherheit die Klarheit der Formen wider, die ich bevorzuge.

Wie wirkt sich das Schreiben und Zeichnen mit der Hand auf Ihre Kreativität aus?

Stift und Papier beflügeln meine Intuition. Der Prozess des Zeichnens ist Kommunikation mit mir selbst. Während ich Ideen zu Papier bringe, verändern sie sich. Und während ich beobachte, wie sie sich verändern, entstehen neue Ideen in meinem Kopf – eine Art Pingpong. Ich habe bücherweise skizzierte Entwürfe, die nie das Licht der Welt erblicken werden, aber der Prozess des Zeichnens hilft mir, meine Ideen zu entwickeln, auszuformen.

Wenn ich eine Zahnbürste kaufen muss, zeichne ich sie mir eher auf, als dass ich das Wort ausschreibe.“

Bewahren Sie Ihre Notizen auf?

Von Zeit zu Zeit entsorge ich manche Skizzenbücher, es sind einfach zu viele. Im Moment habe ich allein elf Bücher hier an meinem Arbeitsplatz. Etwas anderes ist es allerdings, wenn ich eines verliere oder liegen lasse. Dann trauere ich ihm mitunter eine ganze Woche nach.

Warum haben Sie so viele Notizbücher gleichzeitig in Gebrauch?

Weil ich stets eins brauche, aber oft vergesse, es einzupacken. Deshalb kaufe ich immer wieder neue. Auf Reisen beispielsweise sind die Skizzenbücher meine Begleiter. Ich esse nur ungern allein im Restaurant, was aber unterwegs oft vorkommt. Dann hilft es mir, mein Buch auf dem Tisch zu haben und parallel zu zeichnen. Das Buch gibt mir eine Privatsphäre, schützt mich vor beobachtenden Blicken, lässt mich die Welt vergessen. Ich bin dann im Zwiegespräch mit meinen Ideen und Gedanken.

Wie ordnen Sie Ihre Gedanken? Moodboards, Listen, Mindmaps?

(lacht) Leider habe ich kein System. Und obwohl ich mir immer vornehme, ein Buch nur einem Projekt zu widmen, kriege ich schon das nicht hin. Die ersten Seiten beginne ich oft diszipliniert, aber bald kommt mir ein anderes Projekt dazwischen, und der gute Vorsatz ist dahin. Eigentlich sind die Bücher Zeitzeugen meines Tagesablaufs.

Haben Sie Schreibrituale?

Mein wichtigstes Ritual ist das nächtliche Aufschreiben und Aufzeichnen meiner Gedanken. Ich wache oft mit einem Gedanken auf, der mich erst dann wieder loslässt, wenn ich ihn zu Papier gebracht habe. Zu diesem Zweck liegt stets ein Skizzenbuch auf meinem Nachttisch.

Schreiben Sie auch Texte, die nichts mit Ihrer Arbeit als Designerin zu tun haben?

Texte weniger, aber ich schreibe sehr gerne kleine Botschaften, Einladungen und Danksagungen auf Karten und verschicke sie per Post, in hübschen japanischen Umschlägen, die man mit einer Schnur verschließt.

Verwenden Sie bestimmte Stifte?

Ja, ich benutze den Muji 0,5 und einen Füller der japanischen Marke Kaweco für meine Karten und Einladungen.

Apropos Japan: Sie haben auch in Nagoya studiert. Haben Sie sich dort mit Kalligrafie beschäftigt?

Anfangs schon, aber nur kurz. Mir fehlte die Geduld. Als Industriedesignerin habe ich mich aber intensiv mit dem japanischen Washi-Papier auseinandergesetzt, habe Produktionsstätten in Washi besucht und Papiere gesammelt.

Der Prozess des Zeichnens ist Kommunikation mit mir selbst. Während ich Ideen zu Papier bringe, entstehen neue – eine Art Pingpong.“

Sind Sie sparsam oder verschwenderisch mit Papier?

Ich bin verschwenderisch. Da nicht alle Ideen gleich gut sind, zeichne ich nie zwei Ideen auf eine Seite. Ich möchte nicht, dass eine schlechte Idee neben einer guten steht.

Gibt es etwas Handschriftliches, das Ihnen sehr am Herzen liegt, das Sie wie einen Schatz hüten?

Ja, es sind sogar zwei Schätze. Eine eine Unterschrift von Thomas Mann, den ich sehr verehre – ein Freund hat sie bei einer Auktion für mich als Geschenk zum Diplom ersteigert. Und eine Papierserviette mit einer Modezeichnung, die Jean-Charles de Castelbajac im Restaurant meines Mannes Charles Compagnon hinterlassen hat. Sie hängt gerahmt über meinem Schreibtisch.

Gesa Hansen

Die deutsch-dänische Möbel- und Interior-Designerin Gesa Hansen hat an der Bauhaus-Universität Weimar und im japanischen Nagoya studiert. Nach einer Zeit im Büro des Architekten Jean Nouvel in Paris rief sie 2009 ihre eigene Kollektion „The Hansen Family“ ins Leben. Seit rund einem Jahr lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern im ländlichen Courances, 47 Kilometer südöstlich von Paris. 



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Autorin Ilona Marx

Ilona Marx ist freie Autorin. Sie ist die Mitbegründerin des Modefachmagazins J’N’C, das sie zwei Jahrzehnte lang als Chefredakteurin betreute. Seit drei Jahren ist sie als Contributing Editor im Team des Konfekt Magazins. Ihre Schwerpunktthemen sind Interior Design, Mode, Gastronomie, Kunst und Reisen. Zu ihren weiteren Kunden gehören Wallpaper, The Weekender, Vogue, Neue Zürcher Zeitung, Salon und Architektur & Wohnen. Ilona Marx lebt mit ihrem Mann in Düsseldorf.